Rückforderung von Anwärterbezügen bei Entlassung: Was du wissen musst
Du denkst darüber nach, deinen Beamtenstatus zurückzugeben – vielleicht sogar noch während oder kurz nach deiner Ausbildung oder Studium? Dann hast du sicher schon von der berüchtigten Rückzahlungsforderung von Anwärterbezügen gehört, die dein Dienstherr geltend machen kann.
Meist ist diese Regelung im Bereich des mittleren und gehobenen Dienst anzutreffen, da hier bereits während der Ausbildung und des dualen Studiums Bezüge (Gehalt) gezahlt werden, die gar nicht mal so gering sind.
Aber was genau musst du wirklich zurückzahlen? Gilt das für jeden? Gibt es Ausnahmen? Und wie hoch kann die Summe tatsächlich ausfallen?
In diesem Beitrag erklären wir dir, wie die Rechtslage ist, wo die Fallstricke liegen – und wie du dich vorbereiten kannst, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Alles, was du zu dem Thema wissen musst.
Welche Rechtsnatur haben Anwärterbezüge?
Anwärterbezüge sind die monatlichen Leistungen, die du während deines Vorbereitungsdienstes als Beamtenanwärter bekommst. Sie setzen sich zusammen aus dem Anwärtergrundbetrag sowie ggf. Zulagen.
Im Unterschied zu einer Ausbildung im Angestelltenverhältnis ist das kein normales Gehalt, sondern eine Art staatlich finanzierter Unterhalt für die Dauer der Ausbildung – mit dem Ziel, dich für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst zu qualifizieren. Denn bereits hier gilt die (aus den „Hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ abgeleitete“ Pflicht des Dienstherrn, seine Beamten angemessen zu versorgen, sodass diese sich auf ihren Dienst konzentrieren können. In Falle eines Anwärters ist der Dienst das Lernen und Sammeln von Praxiserfahrung, um die Prüfung zu bestehen und sich für die spätere Verwendung fit zu machen.
Wann droht eine Rückzahlungsforderung?
Dein Dienstherr kann die Rückzahlung eines Teils der erhaltenen Anwärterbezüge als eine Art Ausbildungskostenrückerstattung fordern, wenn du während der Ausbildung oder kurz nach deinem erfolgreichen Abschluss auf eigenen Wunsch die Entlassung beantragst.
Der Staat kann in diesem Fall argumentieren, dass er in dich investiert hat, dich ausgebildet hat und, dass diese Investition nun ihren Zweck verfehlt, da du keinen Dienst leistest.
Im Allgemeinen gilt hierbei folgende Regel: Die Mindestdienstzeit beträgt 5 Jahre nach abgeschlossener Ausbildung bzw. dualem Studium. Für jedes abgeleistete Jahr verringert sich die Summe, die du schuldest, um 1/5 bzw. 20 %.
Rechtliche Grundlage der Rückforderung
§ 59 Abs. 5 BBesG: Für Anwärter, die im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes ein Studium ableisten, kann die Gewährung der Anwärterbezüge von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden. Es handelt sich hierbei um eine besondere Zweckbestimmung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB.
Die Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Anwärterbezügen ist normiert in § 12 Abs. 2 S. 1 BBesG in Verbindung mit dem zivilrechtlichen Herausgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB.
Danach besteht ein Anspruch des Dienstherrn auf Rückzahlung von Bezügen, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eintritt, also deine Ausbildung „ins Leere läuft“ und du dem Staat anschließend nicht als Arbeitskraft zur Verfügung stehst.
Beispiel gehobener Bundesdienst:
Nach § 59 Abs. 5 BBesG kann die Gewährung von Anwärterbezügen für Anwärter, die im Rahmen des Vorbereitungsdienstes ein Studium ableisten, von der Erfüllung von „Auflagen“ abhängig gemacht werden. […]
Die in § 59 Abs. 5 BBesG enthaltene Ermächtigung umfasst die Befugnis, die Anwärterbezüge an die – vor deren Auszahlung ausdrücklich zu erklärende – Verpflichtung zu koppeln:
- das Studium im Rahmen des Vorbereitungsdienstes bis zum Abschluss zu absolvieren,
- im Anschluss daran in den öffentlichen Dienst einzutreten und
- anschließend darin während einer Mindestdienstzeit zu verbleiben, welche in den meisten Fällen 5 vollendete Dienstjahre beträgt.
Darüber hinaus darf der Dienstherr die Zahlung der Anwärterbezüge daran knüpfen, dass der Anwärter nicht aus einem von ihm zu vertretenden Grund aus dem Vorbereitungsdienst ausscheidet (BVerwG 10.02.2000 – 2 A 6.99 -, Schütz BeamtR ES/C I 2 Nr. 29).
Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB):
Zweck der Auflage einer Mindestbindungsdauer von 5 Jahren nach Abschluss der Ausbildung ist die Erlangung voll verwertbarer Dienstleistungen für den Dienstherrn bzw. den öffentlichen Dienst allgemein als Ausgleich dafür, dass der Dienstherr die Ausbildung finanziert hat, ohne seinerseits während der Ausbildungszeit voll verwertbare Leistungen durch die Anwärterin oder den Anwärter erhalten zu haben. (Fundstelle: https://nord.dgb.de/themen/++co++efa4f6a2-a889-11e9-96a8-52540088cada)
Sowohl im Bundesdienst als auch im Landesdienst wird von dieser Rückforderung im Regelfall Gebrauch gemacht. Du vermutest, dass diese Rückforderung im Falle des Antrags auf Entlassung auf dich zukäme? Dann solltest du prüfen, wie hoch diese ausfallen könnte und wie du sie umgehst. Dies lernst du in unserem ausführlichen Ratgeber & Leitfaden zum Antrag auf Entlassung.
Wie hoch kann die Rückzahlung ausfallen?
Beispiel 1: Kündigung nach der Prüfung
Beamter A hat sein Studium zum 01.10.2021 als Beamter auf Widerruf mit Anwärterbezügen begonnen und beendet sein Studium zum 01.10.2024. Es folgt zeitgleich die Ernennung zum Beamten auf Probe zum 01.10.2024 und die 5-Jahresfrist beginnt mit der Ernennung zu laufen. Nach der Probezeit folgt zum 01.10.2027 die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit. Zu diesem Zeitpunkt wären bereits 3/5 der Gesamtsumme abgeleistet. Die Vollendung von 5 Dienstjahren wäre somit mit Ablauf des 01.10.2029 gegeben.
Grundsätzlich gilt: Die gesamten erhaltenen Anwärterbezüge können zurückgefordert werden – abzüglich eines sozialrechtlichen Mindestselbstbehalts (Existenzminimum).
Die Berechnung:
Beamter A hat ein 3 Jahre andauerndes duales Studium zum Dipl. Finanzwirt absolviert und kündigt direkt im Anschluss, indem er die neue Ernennungsurkunde gar nicht erst annimmt. Denn das Ausbildungsverhältnis und der Status als Beamter auf Widerruf wurden kraft Gesetzes mit Bestehen des Staatsexamens beendet.
Beamter A erhielt 3 Jahre lang Bezüge von 1.500 € monatlich. Zu Vereinfachung legen wir den sozialrechtlichen Selbstbehalt über diese 3 Jahre mit je 450 € pro Monat an, ohne etwaige Erhöhungen zu berechnen.
1.500 € – 450 € = 1.050 €
1.050 € x 36 Monate = 37.800 €
Die Rückforderung des Dienstherrn beträgt in diesem Beispiel 37.800 €, was dem tatsächlichen Betrag in der Praxis sogar sehr nahe kommt. Hier werden regelmäßig Beträge zwischen 30.000 € und 40.000 € zurückgefordert.
Beispiel 2: Beamter auf Probe
Beamter A arbeitet 3 Jahre im Dienst des Finanzamts und beantragt dann (noch als Beamter auf Probe) seine Entlassung. Mit jedem abgeleisteten Jahr reduziert sich der Rückforderungsbetrag um 1/5:
Also um (37.800 € : 5 =) 7.560 € jährlich. Nach drei Jahren im Dienst sind 22.680 € abgeleistet und es verbleibt ein Rückforderungsbetrag von 15.120 €.
Beispiel 3: Beamter auf Widerruf
Bricht der Beamte auf Widerruf das Studium nach 2 Jahren ab, ist oftmals der Betrag zurück zu zahlen, der in dieser Zeit angefallen ist. Nach obiger Rechnung also 1.050 € x 24 Monate = 25.200 €. Das ist schon heftig! Vor allem, weil man danach nicht mal einen Abschluss in der Tasche hat.
Hierzu empfehlen wir, mit der für mögliche Rückforderungen zuständigen Stelle Kontakt aufzunehmen und nach der Umsetzung dieser Rückforderung „in der Praxis“ zu fragen. Denn: Dies wird unterschiedlich gehandhabt.
Als Chris sich nach knapp 9 Monaten dualem Studium bei der Bundespolizei entlassen ließ, wurden damals lediglich das gezahlte Trennungsgeld und Fahrtkostenerstattung zurückgefodert, nicht aber die Anwärterbezüge!
Du siehst: Hier handelt es sich stets um einen Einzelfall!
Beispiel 4: Beamter auf Lebenszeit
Selbst wenn du auf Lebenszeit ernannt wurdest, kann im Falle des Antrags auf Entlassung eine Rückforderung drohen:
Nehmen wir an, die BAL-Ernennung folgte nach 3 Jahren und 6 Monaten. Es vergehen weitere 7 Monate, bis du den Antrag auf Entlassung stelltst. Dann verbleiben nach wie vor 11 Monate, die dich von den „magischen 5 Jahren“ trennen.
Ein findiger Dienstherr könnte argumentieren, dass hier sogar 12 Monate gerechnet werden, da im Gesetz von Jahren und nicht von Monaten die Rede ist und hier kein volles Jahr mehr abgeleistet wurde, also das volle Jahr zu zahlen ist.
Wir selbst sind bei unserer Entlassung auf Nummer sich gegangen und haben sogar bis zum Jahresende gerechnet, in dem unsere 5 Jahre abgelaufen waren, um ganz sicher ohne Rückforderung gehen zu können. 👉 unsere persönlichen Erfahrungen mit der Kündigung als Beamte lesen.
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Der umfassende Ratgeber begleitet dich praxisnah durch jede Phase der Entlassung.
Teil 1: Klarheit gewinnen: Kündigen oder bleiben?
Teil 2: Abläufe in der Praxis, Planung & Vobereitung, rechtliche Aspekte, Folgen der Entlassung & mehr
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Unser praxiserprobter Coaching-Ansatz eröffnet neue Perspektiven & unterstützt dich dabei, zu der für dich passenden Lösung zu finden.
Wer entscheidet über die Rückforderung?
Die Entscheidung liegt meist bei der der obersten Dienstbehörde bzw. ist in einigen Bundesländern auf die Bezügestelle übertragen worden. Es handelt sich nicht um eine automatische Rückforderung, sondern um eine Einzelfallentscheidung.
Vor der Rückforderung hat die zuständige Stelle den Einzelfall genau zu prüfen. Der Rechtsbehelf gegen einen Rückforderungsbescheid (Verwaltungsakt) ist der Widerspruch.
Wie du eine Rückforderung abwendest
Die schlechte Nachricht vorweg: Die Rechtsprechung ist mittlerweile einhellig der Auffassung, dass eine Rückforderung, bei einer vom Beamten zu vertretenden Gründen erfolgten Entlassung, in 99 % der Fälle statthaft ist.
Daher solltest du dich darauf konzentrieren, die 5 Jahre Mindestdienstzeit über die Bühne zu bekommen oder du wechselst in ein anderes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis (z. B. zu einem anderen Dienstherrn). Dann wird keine Rückforderung mehr gestellt.
👉 Wenn du diese 5 Jahre nicht ableisten willst, besteht die Möglichkeit, dich freizukaufen (Rückzahlung) oder dich freikaufen zu lassen: Regelmäßig übernehmen privatrechtliche Arbeitgeber die „Ablösesumme“ wenn du zu ihnen wechselst. Im Fall unseres Steuerinspektors zum Beispiele eine Steuerberaterkanzlei.
💰 Wichtig ist gleichwohl, dass du Rücklagen bildest. Besonders wenn du merkst, dass du zweifelst, fang frühzeitig an, etwas zur Seite zu legen. Nur für den Fall, du es gar nicht mehr aushältst.
🗣️ Beratung suchen: Sprich mit einer dir vertrauten Person, der Personalvertretung oder buche eine Beratung bzw. ein Coaching mit uns.
⚠️ Wichtig: Je später du dich entscheidest zu gehen, desto geringer die Rückforderung. In besonderen Härtefällen kann man auch versuchen, die letzten paar Monate die du noch etwas zurückzahlen müsstest, als unverhältnismäßig „weg zu argumentieren“.
Fazit
😓 Die Aussicht auf eine Rückzahlung ist für viele ein echtes „Angstthema„. Zu Recht, denn plötzlich mehrere zehntausend Euro zurückzahlen zu müssen, ist kein Pappenstiel.
✅ Aber: Die meisten Fälle lassen sich lösen. Alles was du dazu brauchst, sind korrekte Informationen, die rechtlichen Hintergründe, eine gute Vorbereitung und einen klaren Plan.
⚠️ Du willst den Ausstieg richtig angehen? In unserem Ratgeber findest du mehr als nur Tipps und Tricks, wie du dich vor der Rückforderung drücken kannst. Du lernst, wie einen echten, eigenen Plan entwickelst und so das beste Ergebnis für dich rausholst!
🤝 Allem vorweg steht bei diesem Ratgeber stets die Frage, ob die Kündigung für dich wirklich der richtige Weg ist. Mit Selbsttests und Übungen wirst du auch dies klar für dich herausfinden!
Unser Ratgeber & Leitfaden für Beamtinnen und Beamte, die über eine Entlassung nachdenken:
📄 Fakten, Rechtliches & Formalitäten rund um den Antrag auf Entlassung.
✅ Raus aus dem Gedankenkarussel, rein in die Klarheit, was Du wirklich willst.
🏥 Krankenversicherung, Altersgeld, Nachversicherung, Abläufe uvm.
💡 Aufklärung, was wirklich wichtig ist!